Freitag, 23. Januar 2015

Früher harte Arbeit, heute hingegen Spaß.

Hille/Lübbecke (ab). "Im Moore wird blaus platt kürt!" Im Moor wird bloß platt gesprochen, sagt Friedrich Lübbert in Nettelstedter Plattdeutsch den 48 Schülerinnen und Schülern der Klassen 3a und 3b der Grundschule Hille. Und lachend fügt er hinzu: "Meinetwegen auch Hochdeutsch, aber Englisch kann ich nicht."

 

Torfstecher Heinrich Oevermann zeigt den Kindern die Torfgrube. Ungeduldig warten die Kinder auf ihren ersten Abstieg. | Fotos: Alparslan Bora

Über den anschaulichen Sachunterricht erfreuen sich die Schüler und Lehrer gleichermaßen: "Ganz toll", schwärmt die Klassenlehrerin der 3a Heike Nelges und versichert, dass sie mit ihren Klassen bestimmt noch häufiger zum Torfstechen kommt. Klassenlehrer der 3 b, Matthias Wittemeier, legt sogar selbst Hand an.

Nachdem stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Hille Klaus Reimler den ersten Torfanstich gemacht hat, steigt auch der Lehrer mit bretterbesohlten Holzschuhen unter den Füßen in die etwa zwei Meter tiefe Torfgrube hinab. Mit dem 60 Jahre alten Torfspaten in der Hand sticht er ein ziegelsteingroßes Stück ab und befördert es mit gekonntem Schwung nach oben. Torfstecher Lübbert ist begeistert: "Na, sollen wir Herr Wittemeier als Torfstecher hier behalten, oder wollt ihr ihn als Lehrer zurück?" Die Kinder sind sich einig: "Als Torfstecher", antworten sie lachend. Der Reihe nach greifen sie dann selbst zum Spaten, ziehen die Holzschuhe an und haben sichtlich Spaß in der feuchten Grube.

Die Torfstecher: Das sind Heinz Wuhlbrandt, Fritz Josef, Heinrich Oevermann, Günther Öwermann, Sprecher Friedrich Lübbert und der 87-jährige "Präsident" Albert Tielmann. Zusammen gründeten sie die "Niertelstier Torfsteker" (Nettelstedter Torfstecher).
Sondergenehmigung für Torfstecher
Die große Hand muss mithelfen. Nur so können die Kinder den Torf anheben.

Die Idee der Torfstecher, alte Traditionen und Lebensweisen der Menschen in der Region praktisch und erzählerisch nahe zu bringen, wäre ohne Heinrich Oevermann nicht zu verwirklichen gewesen. Denn ein Dokument erlaubte es ihm, in Notzeiten Torf stechen zu dürfen. Weil er im Besitz dieses Papieres ist, haben Kreis und Land ihm und seinen Freunden schließlich eine Sondergenehmigung erteilt. Die erlaubt es den Nettelstedter Torfstechern, zu Lehr- und Vorführzwecken den Torf heute noch zu stechen.

"Wer weiß denn, wie Torf entsteht?", fragt Lübbert die Kinder, die im Sachunterricht in der Schule gut aufgepasst haben: "Aus abgestorbenen Pflanzen", antworten sie und Lübbert stimmt ihnen zu: "Richtig, alle Pflanzen fallen ins Wasser und werden zu Torf", sagt er und fügt hinzu, dass das Moor so tief sei, wie ein mehrstöckiges Haus.

Torfstechen ist auf dem 550 Hektar großen Moorgebiet seit 1980 verboten. Nur zu Ausstellungszwecken in Museen und zur Restaurierung denkmalgeschützter Bauwerke darf das Material abgebaut werden.

Um an den begehrten Rohstoff zu gelangen, wurden Jahrhunderte lang große Teile des Gebietes trockengelegt, zum Nachteil der Landschaft. Der begehrte Rohstoff indes diente den Menschen in der Umgebung als Brennmaterial und Baustoff: " Unsere Väter waren ja alle im Krieg. Deshalb mussten wir nach der Schule in das Moor um Torf zu stechen. Das war harte Arbeit", erzählt Lübbert den Kindern. Schließlich musste die Stube geheizt werden. "Da wurde gekocht, gegessen, Zigarren gedreht, Hausaufgaben gemacht oder auf dem Schoß der Oma gesessen."
Wollgras wächst und Kraniche kommen
In den 70er-Jahren kaufte das Land Nordrhein-Westfalen Stück für Stück fast die gesamte Fläche den damals 1340 Eigentümern ab. Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) trug dazu bei, dass sich das Moor erholte. Heute ist es ein wichtiges Naturschutzgebiet. "Wollgras wächst wieder und wir hatten letztes Jahr sogar ein brütendes Kranichpaar", freut sich Lübbert. Die Schafe sorgten dafür, dass die Birkensprösslinge abgefressen werden, damit die Landschaft nicht zuwachse. Davon können sich die Kinder an diesem Tag selbst überzeugen. Sie besuchen nämlich auch den Schäfer mit seiner Herde, die nicht weit der Torfgrube weidet.


http://www.grundschule-hille.de/fotogalerie.html?g2_itemId=7516&g2_page=2

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